Montag, 23. Dezember 2013

Nichts rieselt leise

Wo sie ihn nur immer herbekommen?
Es werben mit ihm so stark die Werbeleute,
Bei 14 Grad fragt man sich  da beklommen:
Wo bleibt denn deren Schnee  bis heute?

Er wird zur Weihnacht kaum mehr kommen.
Der Petrus, der hat doch wohl ziemlich einen Fön.
So beten fest die Manager,  und nicht nur die Frommen, 
Denn ohne Schnee ist ja kein Ski-Ort wirklich schön.

Ein Schicki-Spezi sagt, er röche schon den Schnee.
Und reibt sich dabei verschmitzt die weiße Nase.
Er lobt  auch den Afghanen über den grünen Klee,
Weil beim Schnupfen - da sei er ein alter Hase.

Bei ihm rieselt  leise  nur noch der Verstand,
Sein Schnee ist der, auf dem's laut Falco talwärts geht.
Cuba Libre kippt  er dazu am Glühwein-Stand.
Und ist alsbald vom rosa Winde komplett verweht.

Ach lass doch deinen Schnee mal stehen!
Und komm jetzt endlich zur Besinnung!
Du wirst auch ohne Schnee bald sehen:
Ein Rausch ist keine Weihnachtsstimmung...

Sonntag, 22. Dezember 2013

Smart X-Mas

Ich will wirklich kein Smartphone haben!
Also sollt ihr mir auch keines schenken.
Ist viel zu kompliziert für so'n alten Knaben
Da muss ich ja komplett anders denken

Nun sitz ich schon den ganzen Sonntag.
Meine Wurstfinger sind ja viel zu klamm
Ich kann nie so tippen, wie ich's mag.
Das Ding  ich gleich in den Boden  ramm!

Ich habe es mir nun heimlich selbst gekauft.
Bin also auch schuld, wenn es nicht klappt.
Habe mir gerade das letzte Haar ausgerauft
Und die Leitung wurde schon längst gekappt.

Weil ich für diese Zeile fast eine Stunde brauche.
Und meinen Text beim TIppen schon vergesse .
Blogs so zu verfassen, ist so ein Geschlauche
Jetzt ist Schluss. Wie mich das nervt - meine Fresse!

(Mit meinem Galaxy S4 gepostet - hihi)

Samstag, 21. Dezember 2013

Glotzen-Weihnacht

Es ist Samstag vor dem vierten Advent: 
Gibt's denn keinen Kitschfilm im TV?
Wie einem die Zeit nur so von dannen rennt!
Tut mir leid, ich weiß es nicht genau.

Schau doch mal nach - im neuen Programm!
Das ist doch wirklich nicht zu schwer.
Und mach nicht immer so'n Tamtam:
Zum Lesen hab' ich ja auch nichts mehr.

Mission Impossible mit schön vielen Leichen!
Oder vier "Die Hard" gleich auf einmal
Ach lass uns dann doch auf BR3 ausweichen.
Da lebt der James Bond immerhin nur zweimal.

Gab es nicht genau die auch im letzten Jahr?
Ohne Tote wär' heut nur das Spiel vom FC Bayern.
Ah, du willst mal wieder  Fußball, ist doch  klar!
Haben die denn noch nicht genug zu Feiern?

Du weißt, ich schau nur Filme, die gut ausgehen.
Und ja nichts mit Krankheiten oder ohne Liebe.
Du hast ja alle Weihnachtsfilme schon gesehen.
Ich wüsste nicht, was da dann noch übrig bliebe.

War da nicht noch einer mit dem Richard Gere?
Wir können  uns doch auch den mit Clooney geben.
Also nur um die schönsten Männer  geht es dir?
Wo du doch mich hast für's ganze Leben...

Wieso überhaupt heute in die Glotze gucken?
Wie wär's  mit Zweisamkeit allein im Kerzenlicht? 
Ich sehe bei ihr nur noch ein Achselzucken, 
Und leise hör'ich: der ist wohl nicht ganz dicht!

Freitag, 20. Dezember 2013

Mutter ist ja doch die Beste

Wochenlang hörst du nichts von den Blagen.
Denen wird ja  wohl nichts passiert sein...?
Mit i-pad und  Smarts hagelt es  nun Fragen:
Mutti kannst du  nun auch mal  für mich da sein?

 Ja, natürlich, ich bin doch immer für dich bereit!
Wie ging das noch mal mit der Weihnachtssuppe?
Bauchfleisch und Erbswurst - aber passier sie gescheit!
Ach wie sie gemacht wird, ist mir  doch schnuppe.

Ich dachte, du kommst und kochst sie hier bei mir.
Deine Suppe ist doch seit eh und je  die allerbeste.
Ich leiste dir Gesellschaft bei einem kalten  Bier,
Und ich kümmere mich ja auch um meine Gäste. 

Ja klar, ich bleibe dann wieder mal  still in der Küche,
Damit Mutti bloß nicht deine tolle Christ-Party stört.
Aber entschuldige dann bitte auch meine stillen Flüche. 
Wenn du wieder angibst, es sei dein Rezept. Unerhört! 

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Verpackungskünstler

Ich schenke ja nichts,  aber ich meine ja nur.
Ach wäre ich doch ein  Künstler wie Christo.
Ich nähme nur  ein Buntpapier und ne tolle Schnur.
Dann wäre es gleich  große Kunst – das ist so!

Ich verpacke ja Nichts, und das wäre  allein schon neu.
Die Gedanken, die im Paket sind, auf die kommt es an.
Wieso sind alle Kritiker nur so feige und wohl scheu.
Wo ich doch der bin, der Nichts so gut verpacken kann?

Stattdessen lacht sie auch noch über mich - die Kunstwelt.
Weil mir das Papier nie reicht und die Schleife verknittert.
Ich hätte – so meinen  die Experten - das Nichts entstellt.
Dieses Urteil macht mich seit Jahren ganz verbittert.

Seht ihr nicht das Individuelle meiner Weihnachtspakete?
Diesen substanziell gewordenen Hauch  von wahrer Ärmlichkeit?
Mein Ruhm wird schon noch aufrauschen wie eine Rakete:
Als d e r Verpackungskünstler des Nichts weit vor der Zeit



Mittwoch, 18. Dezember 2013

Bilanz des Einzelhandels

Von drauß’ vom Karstadt komm’ ich her.
Ich muss Euch sagen, da weihnachtet nix mehr.
All überall zu den Frequenz-Spitzen
Sehe ich nur noch Kassiererinnen* schwitzen.

Still und starr ist die Bilanz, wie ich seh’.
Nur leise rieselt der Mammon? – Ach je!
Auch nicht ein Bonus mehr kummt.
Weil da selbst ja die Werbung verstummt.

Aber bald ist heilige Nacht,
Schar der Drohnen da erwacht.
Auch nicht ein lieblicher Schein,
Kommt da noch  in die Kasse hinein.

Alles wartet, bis es vollbracht,
Denn nach der heiligen Nacht
Ist Ausverkauf, und nix mehr online.
Ja dann purzeln die Preise  gar fein



*natürlich zu Mindestlohn

Dienstag, 17. Dezember 2013

Ein fatales Missverständnis

An der Ecke Friedrichstraße vor’m Haus der Knappschaft,
Müht sich ein Weihnachtsmann mit Paketen beladen dahin.
Um genau zu sein, er stolpert fast blind durch die Landschaft.
Dass ihm endlich jemand hülfe, danach steht ihm der Sinn.

Weil der Rotweiße seine Brille daheim vergessen hat,
bleibt er an einem Wesen mit roter Nase hängen,
Auf dass es ihm Last abnehme und schleppe an seiner statt.
Aber das reißt sich unwirsch gleich aus seinen Fängen.

„Ich bin jetzt Rentier und muss nie mehr schleppen!“
Rote Nase und Rentier? Dann bist du wohl der Rudolf?
„Du Weihnachtsmann hältst mich wohl für einen Deppen!
Wenn ich überhaupt noch was tu, dann spiel ich Golf!“

Der Weihnachtsmann springt Rudolf ins Genick.
Dass der nur zwei Beine  hat, bringt Santa nicht ins Grübeln
Er jagt ihn Fersen gebend über die Straße mit Geschick,
Doch der wird ihm die Tour  schon dort verübeln.

Er bäumt sich drüben auf zum schroffen Halt,
Und wirft ihn ab - seinen zottelbärtigen Reiter
Direkt vor dem Schild der Renten-Anstalt
„Rentner bin ich und kein Rentier“, schreit er...

Montag, 16. Dezember 2013

Augen auf beim Baumkauf!

Also gut, das wissen wir und sind ganz frei:
Weihnachtsbäume zu kaufen, ist keine Sünde
Die Umwelt und  die Bäume leiden nicht dabei.
Wär’ also kein Akt, wenn da nicht die Frage stünde:

Was für einen kaufen wir denn bloß?
Schlagen wir ihn selbst im finstren Tann?
Reißen der Natur ihn aus dem Schoß?
Nehmen wir Fichte, Kiefer oder Nordmann?

Aus artgerechter Bodenhaltung mit Auslauf?
Oder aus einer Quick-Kultur wie ein Gemüse?
Das Timing ist auch ein Problem beim Kauf.
Da geht einem doch ganz schön die Düse…

Ich will einen Großen, sie nur einen kleinen.
Sie bloß kein Lametta, ich einen voll behängten,
Ich einen bäuerlich Groben, sie einen edlen Feinen.
Im Streit als bald sind wir die Gekränkten.

Dabei müsste doch der Baum beleidigt sein.
Geschlagen, um für wenige, glänzende Augenblicke
Noch auf zu blühen im stillen Kerzenschein.
Nadelnd und  darob verflucht, hackt man ihn in Stücke…



Sonntag, 15. Dezember 2013

Klima-Gipfel

Jeder Betrieb selbst wenn’s Klima klemmt,
Macht jetzt noch eine Feier im Advent.
Damit die lieben Kolleginnen und Kollegen
Sich auch mal aufeinander zu bewegen.

Im Idealfall sind das Essen und die Reden kurz
Und finden während der Arbeitszeit statt.
Sonst kümmert’s die Belegschaft einen Furz.
Denn die meisten haben solche Feiern satt.

Doch viel öfter fließt der Alkohol in Strömen
Und es kommt gänzlich  zum Verfall der Bräuche.
Im Kopierraum hört man die Bürokraft stöhnen,
Aber bestimmt nicht wegen zu voller Bäuche…

Selten führt das Stöhnen jedoch zu höheren Löhnen.
Chefs werden im Weihnachtsrausch partiell dement
Und lassen sich halt einmal umsonst verwöhnen.

So ist das eben  beim Klima-Gipfel im Advent…

Samstag, 14. Dezember 2013

Wein-Nacht

Ist das nicht wahrhaft zum Weinen?
Zwei Monate wird feste zum Fest geworben.
Hin auf den heiligen Abend, den einen.
Da ist einem die Laune ja schon verdorben!

Zwei Monate rieselt laut der Schnee,
Der Heiligabend dann meist fehlt
Letzte Engel, die im Regal ich seh’
Schau’n schon wieder ganz gequält,
Weil Osterhasen sie bereits verdrängen
Und im Baum Transformers hängen

Immerzu das große Getrommel all überall
Angesagt sind doch Stille und Besinnlichkeit
Was wäre, wenn auch er käme mit Krawall
Unser so vielfach besungener Herr der Herrlichkeit

Ein Rat, für den, der da nicht mehr mitmacht:
Greif dir ein Fläschchen vom besten Roten
Und mach die Weihnacht zur Wein-Nacht
Das scheint  in aller „Stille“ durchaus geboten

Freitag, 13. Dezember 2013

Verwirrung

Diesmal schenken wir uns nichts, sagt meine Frau.
Du schenkst mir nix, ich schenk dir nix!
Eine klitzekleine Kleinigkeit hat sie, ich weiß es genau.
Hat sie was, dann hab ich ja auch was ganz fix.

Ich kenn das ja seit Jahren und packe ein großes Paket
Mit nichts drin, damit ihr mich auch recht versteht
Nur so um ganz sicher zu gehen für alle Fälle,
Denn sie verschenkt ja zu gern so auf die Schnelle

Ich freu’ mich schon auf ihr enttäuschtes Gesicht.
Wenn sie das Paket aufreißt und es ist ganz leer.
Da ist doch nichts drin, das gefällt ihr ja gar nicht.

Weißt du, sag ich, nix zu finden, war zu schwer

Donnerstag, 12. Dezember 2013

Sentimental Journey

Was verleitet  Weihnachtsmarkt-Menschen nur,
Ihr Verhalten dermaßen zu verschwülen?
Als ginge es um eine besonders teure Kur
Zum Verschmalzen von  verlor'nen Gefühlen


Vor allem die von draußen - zu erkennen an ihrer Landhauskluft -
Scheint's vor nix zu grausen und rennen gleich zu jedem Duft, 
Um sich die Bäuche voll zu schlagen mit Zeugs, das sie als Gourmets
Sonst nur  gerade so vertragen -  aber mit Alka-Seltzer gehts


Ein Sentimental Journey, der nur so lange dauert,
Bis die Seele nach etwas Stärkerem verlangt,
Weil  nach Neujahr Ödnis wieder auf sie lauert
Und sie's vor'm  tiefen Loch auf's Neue bangt

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Montag, 9. Dezember 2013

Der Geist der künftigen Weihnacht

Aus dem Online-Lager komme ich her
Es weihnachtet arg ja wirklich schon
Bestellt eure Päckchen nicht zu schwer
Denn es kommt eine Drohne von Amazon

Bleibt nur bequem im Sessel sitzen
Wir erhöhen noch die Fron
Und lassen zum Hungerlohn schwitzen
Morituri salutant - Sklaven von Amazon!

Das ist der Geist der künftigen Weihnacht
Wir schuften und können uns nichts leisten
Ihr lebt in Prunk, entfaltet protzig Pracht

Und spendet  dann aber auch am meisten

Sonntag, 8. Dezember 2013

Rituale

An Nikolaus gingen wir morgens aus dem Haus
Aufgeregt den langen Weg zur Schule
Im Unterricht hielt es kaum einer aus
Dann rasten wir heim  mit lautem Gejohle

Die Teller und Stiefel waren irgendwo versteckt
Aber gefunden wurden sie nach kurzem Suchen
Zwar hatte Mutter das stets aufs Neue ausgeheckt
Aber wir erschnupperten eben ihre Pfefferkuchen

Auf einmal dann war es mit dem Suchen aus
Wir waren ihr da auch schon viel zu groß
Für diese kindischen Riten zum Nikolaus
Das war aber ihre eigene Stimmung bloß

Wir hätten ewig nach ihren Keksen suchen können
Denn allein die Erwartung war ja schon so schön
Die wollten wir auch unseren Kindern immer gönnen
Aber wir begannen dann, es auch  selbst zu versteh’n:

Wenn Kinder zu groß werden für so ein Ritual

Wird das eigene Älterwerden  schon zur Qual

Samstag, 7. Dezember 2013

Verhältnismäßig

Ein Bild erzählt mehr als tausend Worte 
- aber nur wenn letztere eine schlechte Erzählung ergeben

Der Augenblick des Betrachtens ist nichts im Verhältnis zum Entstehen eines Bildes

An einem Fernsehabend sterben zur Unterhaltung weltweit mehr Menschen im TV als Soldaten  in allen Kriegen der realen Weltgeschichte

Der Geizige feiert den zweiten Advent, indem er sich mit einer Kerze vor den Spiegel stellt
Der große Geber setzt seine Spenden von der Steuer ab

Wieso kamen drei Könige zur Geburt nach Bethlehem, aber keiner zur Kreuzigung Jesu nach Jerusalem?

Braucht Deutschland eine Bank, die einfach so weiter macht? Besser, wir deutschen Steuerzahler hätten jedem Erdenbürger einen Euro in die Hand gedrückt, als die 8,2 Milliarden zur Rettung der Commerzbank auszugeben


20 Dollar pro Kopf der Weltbevölkerung geben allein die USA zur Vernichtung von Lebensmitteln aus

Freitag, 6. Dezember 2013

Schuldgefühle

Ist es so, dass sich Frieden nur noch jener schafft, der weg sieht?

Sind wir nur froh hernieden, wenn des Bösen Kraft an uns vorbei zieht?
 Die stille Zeit ist nur scheinbar still.
Sein Wille ist gefeit,  s e i n zu sein wenn E r es will.
Aber reicht dann Gottes Geduld? Gibt es ihn überhaupt?
Dann gäbe der Mensch leicht ihm die Schuld,
Denn schließlich hat der ja an I h n geglaubt…


Donnerstag, 5. Dezember 2013

Frauenquote?

In der Krippe war’s ein Knabe, das ist klar.
Was aber war dann geschehen?
Der kleine Junge, der er einmal war,
Den haben die drei Könige noch gesehen.

Was er als Mann an Wundern so vollbrachte.
Steht ja lang und breit im Buch der Bücher.
Aber woran keiner jemals bei ihm dachte,
War sein Geschlecht, davor war’n immer Tücher.

Jesulein, Jesus Christus - ermordet als Gottes Sohn.
Aber wieso und wie wurde aus ihm das Christkind?
Ein jungfräuliches Mädchen – was für ein Hohn –
„Kommt jetzt nieder“ vom Himmel hoch geschwind…

Vermutlich ein Replacement-Engel für alle Fälle.
Wieso war und ist das nicht die reinste Blasphemie?
Dass der Heiland Transgender war, verrät ja keine Quelle.
Und von Christkindl-Märkten war auch die Kunde nie


Mittwoch, 4. Dezember 2013

Spenden-Marathon

Wieso fangt Ihr erst immer dann zu spenden an,
Wenn  Weihnachten vor der Tür steht?
In der stillen Zeit schreit doch meist nur laut voran,
Wem sonst alles leicht am Arsch vorbei geht…

Als ob Krieg, Hunger, Durst und Wohnungsnot
Nicht alle Tage weltweit Opfer fordern.
Kerzenlicht und Glimmer-Kitsch steigern das Gebot, 
Doch erst, wenn Promis es im Fernsehn ordern.

Als gälte es, das satt gefressene Gewissen
Mit Spenden einmalig im Konsum noch zu befrieden.
Doch  das reicht nicht für ein sanftes Ruhekissen.
Im Himmel nicht - erst recht nicht hier hernieden.

Ein Quantum Mitleid wollt ihr Spenden!
In einem Marathon, weil’’s dann nach mehr klingt!
Sieht keine Seele das denn mit Befremden?
Ob’ stetes, stilles Spenden da nicht mehr bringt?

Dienstag, 3. Dezember 2013

Mei, der Glühwein!

Er hat sie vorher ja gar net kennt…
Der Sod  noch in seiner Kehle brennt.
Er hat do eh scho arg verpennt.
Sie mit am hochg’rutschtn Hemd
Schaugt bläd, wira von dannen rennt…
Er hört grad no, wias leise flennt:
Mei halt – s’war da Glühwein im Advent!




Montag, 2. Dezember 2013

Ein Gefühl wie Weihnachten?

Erinnert Ihr Euch an frühere Feste?
Da waren Geschenke nie das Beste,
Sondern wahre und echte Gefühle
Ganz ohne Gabentisch-Gewühle.

Macht die Augen zu und denkt nach!
Was ist in der Erinnerung noch wach?
Spielzeug hielt nicht länger als der Traum
vom Haben. Wie andre Gaben unterm Baum:

Schmuck und Gold lagen dort und strahlten.
Die Ewigkeit für die, die das bezahlten,
War ja meist kürzer als jene sich vorher dachten.
Undank  - auch das ist ein Geist von Weihnachten…

Also – was wirkt nach im Blick  zurück?
Die Liebe und  die stillen Momente im Glück,
Die kostbare Zeit, für und miteinander da zu sein
Echte Gefühle – auch ohne Kitsch und Kerzenschein



Sonntag, 1. Dezember 2013

1. Advent

Wenn Kaufrausch keine Kompromisse kennt,
Wenn Konsum das letzte Geld verbrennt,
Dann sind wir wieder im Advent

Wenn die stille Zeit laut wird, und man schreit,
Wenn Glühwein so riecht, wie einer ihn speit:
Ja, dann ist Weihnachten nicht mehr weit

Wenn Weihnachts-Märkte Rummelplätze sind
Wenn ich wieder mal nix zum Verschenken find’

Denk’ ich alle Jahre wieder:  bist arm dran Christkind!

Montag, 25. November 2013

Wie es hier weiter geht

Liebe Leser!

Im Januar werde ich hier mit dem portionsweisen  Posten meines dritten Romans beginnen. Die am Bildschirm zu lesenden "Riemen" werden nicht mehr ganz so lang sein wie bei den Passionen, weil diese Erzählung nicht so arg durch Kapitel strukturiert ist.
"Strohfeuer" - so der Titel - behandelt die Liebesbeziehung zwischen einem außergewöhnlich rüstigen 75jährigen und einer genialen, aber etwas blaustrümpfigen Studentin, die fünfzig Jahre jünger ist. Das vor dem Hintergrund einer Familien-Historie, die  sich posthum in Spekulationen verliert. Dabei geht es weniger um menschliche Abgründe als vielmehr um die Verformungen von Charakteren in seelischen Ausnahmezuständen.
Mitten drin als Chronist im vielschichtigen Ränkespiel  wieder einmal der Euch nun hinlänglich bekannte Johannes Goerz...

In der Vorweihnachtszeit werde ich dem Wunsch einer leider sehr früh verstorbenen Mitarbeiterin von mir nachkommen, die mich vor nunmehr drei Jahrzehnten aufgefordert hatte, meinem Reporter-Realismus einmal Poesie und Lyrik entgegen zu stellen.
Also werde ich einen textlichen Adventskalender versuchen, bei dem ich täglich probiere ein Fenster zu Euren Herzen zu öffnen. Dadurch nehme ich zwar in kauf, grandios zu scheitern, aber ich hab es nach all der Zeit wenigstens versucht.

Am 1. Dezember geht es los.

Sonntag, 17. November 2013

Hintergründe zu "Passionen des Johannes"

Jetzt kommen wieder die Fragen "bist du das?", "sind das echte Erlebnisse?", "warst du da überall?"...

Deshalb hier jetzt ein paar erläuternde Informationen:

Ziel war es einen Entwicklungsroman über eine Figur zu verfassen, die die 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland aus verschiedensten persönlichen Blickwinkeln zum Teil sehr hautnah mit erlebt. Immerhin ist das eine historisch einmalige Zeitspanne ohne Krieg auf eigenem Boden gewesen.
Ein literarischer Versuch war es, das Buch aus abgeschlossenen Einzelgeschichten so zusammen zu stellen, dass sie in beliebiger Reihenfolge zu lesen wären. Dass sie sich dennoch so verzahnt haben, liegt wohl daran, dass ich den Reporter bei dieser Art zu Schreiben nicht ganz aus mir herausbekommen habe.

Der Held trägt den Namen meines Großvaters mütterlicherseits als Hommage an einen Mann, der meine Kindheit sehr geprägt hat. Ich habe Johannes mit 90 Prozent meiner Erlebnisse und 10 Prozent meiner Phantasie ausgestattet. Was die Weibergeschichten angeht, war er jedoch deutlich aktiver. Auch bin ich nicht von meiner sehr toleranten Frau, die mir mein wildes Reporter-Leben erst ermöglichte, geschieden. Und um nichts in der Welt hätte ich meine beiden Kinder je im Stich gelassen - wie das viele meiner Kollegen geglaubt haben, ihrem Job schuldig zu sein..

Die Personen der diversen Handlungen sind verfälschte wahre Existenzen. Da ich Namedropping und Angebereien, wen man alles kennt, zutiefst verabscheue, habe ich mit Ausnahme des Bürgermeisters von Shanghai alle Namen geändert. Um ein Beispiel zu geben und doch noch ein wenig anzugeben: Johannes hat nur Richard von Weizsäcker getroffen, während ich auch mit dem Bundespräsidenten Scheel, Carstens und Herzog zu tun hatte. Aus der Hand des Letzteren erhielt ich in der Villa Hammerschmidt sogar eine Auszeichnung...

Jojo existierte tatsächlich unter seinem wahren Namen - dem eines spanischen Granden (wie bei vielen aus der philippinischen Oberschicht) -  und er begleitete mich auch auf meiner zweiten Reise während des letzten "Wahlkampfes" der Ära Ferdinand Marcos. Aber er war weder Transgender, noch schwul. Das ist eine kleine Rache an ihm, weil er mich vor Einheimischen in der Landessprache Tagalog süß lächelnd gerne mit Schatzi ansprach... Dadurch hat er mich überhaupt erst auf die Idee für diese Figur gebracht. Das nicht ungefährliche  Gespräch mit dem Innenminister über das straußsche Pistolen-Geschenk an Marcos hat übrigens tatsächlich so stattgefunden.

Thora hat unter ihrem Allerwelts-Familiennamen und natürlich einem anderen Vornamen zu den Weltklasse-Fotografinnen der  1970er gehört. Der Schmerz, dass ich ihr letztlich nicht helfen konnte, sitzt immer noch tief. Damit sie nicht in Vergessenheit gerät, habe ich unsere tatsächliche Geschichte hier Johannes aufgebürdet.

Die Klassenkameraden und ihre Lebensumstände haben als Typen - wie beschrieben - existiert. Nur habe ich ihre späteren Lebensläufe dramatisch verändert. Gaby hat mir allerdings tatsächlich  die Erkenntnis vermittelt, dass das sanfte Streicheln ihrer Unterarme mit den Fingerkuppen  bei fast allen Frauen später ein wirklicher Ankommer war.

Schuster Sanders war - wie Johannes zugeschrieben - eine prägende Figur meiner Kindheit in Hamburg.

Dr. Mausele hat mir zwar  das Leben gerettet, aber mir natürlich in Wirklichkeit nichts hinterlassen. - Und ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob ich seinem Andenken mit den erfundenen Verstrickungen in die "Dienste" in irgend einer Art gerecht werde...

Ronny ist das Konglomerat aus diversen, existiert habenden DDR-Kollegen. Einem davon hatte ich es wohl zu verdanken, dass ich nie in die DDR einreisen durfte. Seine begleitende Rolle in dieser Geschichte ist komplett erfunden. Auch das Handball-Turnier in Kolin habe ich mir ausgedacht, nicht aber die halbnackte Begegnung mit den Handballerinnen im Schlafraum des Eisstadions. Sie fand aber deutlich vor dem Prager Frühling statt.

Tobi hat mir die Geschichte von der Bestattungs-Zeremonie seines Bruders an einem Lagerfeuer in der Nähe des JimJim-Billabongs im Kakadu-Nationalpark erzählt. Zu der Feier hätte der tatsächliche Clan-Chef allerdings einen Weißen niemals eingeladen.

Jack ist eigentlich eine legendäre Figur des australischen Dichters Jack Davis und wird in  dessen "The Black Poems" besungen. Während meines Aufenthaltes auf Kangaroo Island arbeitete dort ein weißer Park-Ranger mit Vornamen Jack, der das Spurenlesen  (blacktracking) bei den Aboriginals erlernt hatte und deshalb von allen Insulanern so genannt wurde. Den Plot habe ich aus drei Kriminal-Fällen, von denen er mir erzählt hat, zusammengebastelt. Lobster-Monster Alf Ramsey - wenn er denn noch lebt - würde sich sicher freuen, ein Held dieser Erzählung zu sein.

Ed ist unter einem anderen bürgerlichen Namen  der wahre Partner des legendären Serpico beim NYPD gewesen. Allerdings habe ich  mit ihm nicht die Nacht  auf Streife  in der Lower Eastside  verbracht, sondern das war ein amerikanischer Fotograf in meinem Auftrag. Ich lernte Ed erst danach auf einer "Party" in seiner Zweit-Heimat Oberbayern kennen. Der Carnival auf Trinidad war unsere einzige gemeinsame Reportage deren Begleitumstände von Johannes eins zu eins nacherlebt wurden. Ed (jetzt in den 80ern) bombardiert mich bis heute mindestens einmal pro Woche aus dem Internet mit  seinem very strange sence of humor.

Den Hanegg-Schuss durfte ich unter Aufsicht bei Renn-Bedingungen tatsächlich für meine beinahe weltweit erschienene Playboy-Story "Zum Teufel mit dem Tod" befahren. Allerdings zehn Jahre bevor Bill Johnson das Lauberhorn-Rennen gewann. Die angegebene Spitzengeschwindigkeit von Johannes habe ich allerdings selbst noch nicht einmal auf dem untersten Teil  der Mess-Strecke vom Kilometro Lanciato oberhalb von Cervinia erreicht (nachzulesen in meinem Buch "Abenteuer Skilauf - von Nansen bis Thöni").

Die Dramen der desperaten Damen werden, wenn mir die Zeit noch bleibt, in einem anderen Roman erörtert werden. Andeutungsweise werden sie sich hier schon - so sie den Blog besuchen - trotz der enorm verfälschten Charaktere erkannt haben.

Asta hat als Passion von Johannes in der Erzählung nur einen anderen Namen. In Wirklichkeit gehört sie wohl immer noch zu den intelligentesten Frauen auf diesem Planeten.

Sorry Daffi und Sefi, dass ich Euch so ein Mossad-Appeal verliehen habe. Ihr habt doch nur Euren Job gut machen wollen.

Die Masters Of The Universe Pete und Greg sind angelehnt an Spitzenmanager, die ich zwar beruflich traf, die aber so einem kleinen Licht wie mir nie ein Job-Angebot gemacht hätten. Solche Leute hassen Journalisten. Die Begebenheiten waren aber so ähnlich.

Egidius trägt die Züge des Pastors, der mich konfirmiert hat und später eine wichtige Persönlichkeit in der EKD war. Entschuldigung, dass ich beim Abendmal damals so gelacht habe! Der "Marabu" hat aber tatsächlich so geknirscht und gegurgelt. Allerdings habe ich ihn nach  der Konfirmation auch nie mehr wieder gesehen.

Ob Boris - Onkel Boris - so oder anders hieß, ist letztlich egal, denn in Operationen hießen Leute seines Schlages, die ja zum Teil tatsächlich direkte  Nachbarn in meiner Jugend waren, sowieso so, wie es der Anlass verlangte. Die Vorlage für Boris war allerdings wirklich derart schillernd, dass er eine Ausnahme darstellte. Ansonsten war die "dienstliche" Nachbarschaft aber vorsätzlich und unauffällig spießig. Nix 007 oder so...

Samstag, 16. November 2013

Das Legat

  Johannes redete auch später nicht gerne über die Zeit, bis er mit "L'Ultima" auf das vom Vollmond beschienene Meer hinaus gefahren war. Er hatte sie verdrängt. Nur eines gestand er sich ein. Er hätte sie weniger exzessiv verbracht, wenn er geahnt hätte, dass sein Leben danach noch weiter gehen würde...

  Natürlich war von vornherein klar gewesen, dass der bis in die Planung seines Freitodes romantisierende Johannes auch daran scheitern würde, diese Welt ein für alle Mal von seiner Gegenwart zu befreien. Traurig, wenn es nicht so saukomisch rüber gekommen wäre!
   Das Boot „L’Ultima“ war mit seinem betäubt beduselten und mäßig diabetischen Skipper  trotz Langsamfahrt schon im ersten Morgengrauen in die größte Finnwal-Population des zentralen Mittelmeers geraten. Die an Whalewatch-Boote gewöhnten Tiere umkreisten das kleine Boot in Erwartung der üblichen Leckereien, und als nichts kam, stupsten sie es so, dass der im Nirwana duselnde Johannes seitlich in die Ablaufrinne der Selbstlenzung rutschte.
  Sergio Anselmi, der begnadete Bootsbauer, der diesen Prototypen einer sehr erfolgreichen Serie von Fischerbooten gebaut hatte, war auf die Idee gekommen, ihn mit einigen Fähigkeiten für Alleinfahrer auszustatten. Nicht nur, dass L'Ultima über von der Guardia Costiera kaum auszumachende,  nicht registrierte PS-Kapazitäten verfügte. Um sie bei einer Spitzengeschwindigkeit von 20 Knoten stabil im Gleiten zu halten, hatte das Boot am Heck kaum sichtbare Flabs in den Rumpf eingebaut. Diese Flabs erfüllten noch eine zweite Funktion. Der Fischer konnte, um die Hände für den Fang frei zu haben, das Boot in Fangfahrt durch leichtes Verlagern des Gewichtes minuziös steuern. Genau das tat der ohnmächtige Johannes. Indem er mit seinen 120 Kilo der Länge nach steuerbords in der Ducht lag, lenkte er die Barca in eine geräumige Kreisfahrt nach Backbord.
  Das wiederum löste eine denkwürdige Abfolge aus, die zu Johannes' "Errettung" führte. Immer mehr neugierige Finnwale und Delphine folgten diesem Kreisverkehr, und da wir in modernen Zeiten leben, hatten nicht wenige der Weibchen Transponder oder Microchips für die Satellitenüberwachung ihrer Wanderungen an ihren Schwanzflossen. Drei Stunden, nachdem das vom Ozeanografischen Institut organisierte Whalewatching auf ihren Monitoren dieses recht seltsam anmutende Massenkreisen entdeckt hatte, ging der große weißblaue Katamaran mit den Moby Dick Karrikaturen am Rumpf bei L'Ultima längsseits. Einer der Studenten sprang an Bord, rüttelte an Johannes, fand ihn lebend, weckte ihn mit eher unangemessen kräftigen Ohrfeigen auf und ließ sich dann die Sache von einem Johannes in Trance mit einem diabetischen Koma erklären.
  Das war übrigens der Grund, weshalb die Angelegenheit nur sehr lapidar im Logbuch des Whalewatchers auftauchte und Johannes auch nicht vom Circolo Nautico getadelt wurde.
 
  Als er am Vormittag des 1. Juli mit seiner "L’Ultima" doch wieder in den kleinen Fischer-Hafen von San Lorenzo einlief, hatte seine Geschichte wegen des intensiven morgendlichen Funkverkehrs schon die Runde gemacht, und er hatte sich nach dem Festmachen auf dem Weg rund um den Kai manch spöttischen Zuruf von seinen "Socii" gefallen lassen müssen. Beim Vorbeigehen sah er, dass die kleine Barockkirche unweit des Hafenbeckens offen stand, um für eine Hochzeit üppig mit Blumen dekoriert zu werden.
  Er schlüpfte hinein und tat, was Esther immer zu tun pflegte. Er zündete für jedes Familien-Mitglied eine Kerze an.  Und dann - das hatte er noch nie gemacht - kniete er sich vor einem Seitenaltar auf die Bank. Was erwartete er? Er war auf dem Wege, durch die Ereignisse ein sentimentaler Trottel zu werden. Das erwartete er! Aber nein! - Wenn schon nicht die Erleuchtung - so kam doch ein Frieden zu ihm, den er lange nicht  mehr, wenn überhaupt jemals, verspürt hatte. Es würde weitergehen...
 
  Er würde weiter gehen müssen! Aber wie? Und da war er gleich wieder: Der agnostische Zyniker. Die Versicherung hatte nur einen Restwert für seinen zertöpperten Volvo angewiesen, der trotz zuzüglicher Leihwagenpauschale bei seinen momentanen Wirtschaftsverhältnissen angesichts des ja nicht geplanten "dritten Lebens" für einen neuen Wagen nicht ausreichen würde. "Wegen der ungeklärten Schuldverhältnisse" wurden Schmerzensgeld-Forderungen obendrein auch noch pauschal abgelehnt...
  Was? Fing er da schon wieder an, sich zu ärgern? Nein, sein neues Leben müsste zumindest von einem Leiden befreit sein - dem Leiden an seiner eigenen Unzulänglichkeit. Er würde sich in Form eines autogenen Trainings, immer wenn er Gefahr lief, vom Wege abzukommen, jenen Frieden zu spüren geben, den er in der Kirche von  San Lorenzo hatte erleben dürfen.
  Sich Frieden zu schaffen, ist harte Arbeit, die schmerzt. Johannes musste vor allem, was den Frieden mit seiner Familie anging, durch eine schonungslose Läuterungsphase. Er lernte etwas, was er bislang nur beruflich gekonnt hatte, nämlich auch im Privaten zu zuhören. Er zog nach sehr sachlich vorgebrachten und manifestierten Voraussetzungen für ein weiteres Zusammenleben wieder zu Esther ins Haus. Er hörte auf, seine Kinder zu behandeln, als seien sie noch Kinder. Und  er zwang sich, sich selbst gegenüber einzugestehen, dass es mit seiner "Wichtigkeit" nun absolut vorbei, dass dies aber kein wirklicher Verlust sei.
 

  Dazu gehörte, dass er lediglich noch zur Kenntnis nahm, was aus dem ihn einst so beherrschendem Szenario des zweiten Lebens nach seinem Austritt und  den Wiedereintritt ins dritte geworden war. Dass Peter Kühn sich nie mehr gemeldet hatte, wertete er zusätzlich als Indiz dafür, dass er, Johannes, vielleicht wirklich nicht mehr ganz bei sich selbst gewesen war.
  Nichts hatte sich wirklich verändert. Als erstes war Hartmut Geyer mit allen Ehren in den Ruhestand verabschiedet worden und bekam sogar eine sehr gute Presse für sein Lebenswerk. Dem Vernehmen nach ist er ohne Frau Grau, aber auch ohne Frau Geyer in ein Schlösschen an einen österreichischen See gezogen.
  Im Oktober war Heeremann einstimmig in seine zweite Amtszeit als Präsident der "Latefundis" gewählt worden. Danach gab es eine nur für Intimkenner möglicherweise als verhängnisvoll zusammenhängend auszumachende plötzliche Folge von Todesfällen.
  So wurde beispielsweise Boris Barylli ertrunken in einem seiner Koy-Bassins aufgefunden. Bei der Obduktion fand sich Marmorkleber in seiner Lunge. Was einen investigativen Run auf die Mutmaßlichen CD-roms und DVDs mit potenziellem Erpressungsmaterial in seinem Nachlass auslöste und in der Presse zu eilfertigen Spekulationen Anlass gab.
  Wer dachte, da würde dann Ex-Senator Stefan Berger-Steingräber wenigstens endlich aus Untersuchungshaft freikommen, sah sich zunächst aber getäuscht. Was aber irgendwie auch verständlich war. Infinitesimal davon ausgehend, dass Barylli tatsächlich große Teile der Hamburger Oberschicht in der Hand gehabt hatte, konnte von der Staatsanwaltschaft ja wohl keiner erwarten, dass sie nur partiell zugeben würde, sie habe solches Material  bereits vorab gesichert.
  Nach all den mutmaßlichen Ränkespielen im Vorfeld verlief der Börsengang des Hamburger Hafens hanseatisch souverän und unspektakulär. Die Renditeaussichten ordneten die Analysten als seriös ein, und so pendelte sich die Aktie nach der Ausgabe stabil etwas über ihrem Ausgabewert ein. Heuschrecken hatten wohl schon den Appetit verloren, als der Senat Fischmarkt- und  Speicherstadt-Liegenschaften nicht in den Wert mit einbezogen. Spekulanten auf schnelle, außergewöhnliche Kursgewinne bekamen zudem kalte Füße, als die neuen Unternehmensziele der AG umrissen wurden. Es sollte mit dem neuen Kapital weltweit in den Ankauf weiterer viel versprechender Hafenlogistik investiert werden. Shareholder mit langem Atem waren gefragt. Und dann zog am Horizont ökologisch verantwortlich für das Wattenmeer der Wunsch nach einem Status als Weltkultur-Erbe wie Schönwetter-Nebel über die Elbmündung. Und Konkurrenz gab es auf einmal auch noch im eingenen Land: Durch die Planung des Jade-Weser-Tiefwasser-Seehafens…
  Tragisch und irgendwie - wegen der darin verborgenen Logik - dann doch wieder nicht kam Johannes das gewaltsame Ableben von Gregory Rafferson vor. Immerhin im Gegensatz zu den anderen Verstorbenen war der "Raffzahn" ja noch jung gewesen und konnte den Marathon unter drei Stunden laufen.
  Aber vor einem der zahlreich und täglich operierenden Selbstmord-Attentäter in Bagdad hatte ihn das eben nicht bewahrt. War er wirklich - wie es hieß - ein Kollateral-Opfer gewesen? Ein Autobomber war in die so genannte "Gesicherte Zone" gerast. In diesem Zusammenhang war von ausländischen Zivilpersonen einer Delegation die Rede gewesen, die sich mit der Finanzierung des Wiederaufbaus befasst habe.
  Der alte Johannes hätte versucht, heraus zu finden, ob daran vielleicht auch eine Bank aus Riad beteiligt war. Der Johannes von früher hätte auch überlegt, wieso die kleine Baufirma von "Il Mulos" Cousin spurlos verschwunden war, als er sie nach einer Runde Golf (dafür reichte das Geld nun bald auch nicht mehr) in Garlenda für einen Höflichkeitsbesuch aufsuchen wollte.
  Der restliche Johannes wollte keinerlei Kalvarien-Stationen mehr. Er wollte sich ganz egoistisch auf ein gemeinsames Weihnachtsfest mit seiner Familie in Ligurien freuen und sonst nichts. Das hätte der Anfang für eine weitere "Weihnachtsgeschichte" werden können. Aber um ganz präzise zu sein - es wurde wegen ihres amerikanisch-jüdischen Hintergrundes eine "Chanukka-Geschichte"  - ganz im Geiste der Lichter und der endgültigen Erleuchtung:

  Ein Telefonat am 3. Dezember 2007:
  "Anwaltskanzlei Padlowski. Spreche ich mit Herrn Johannes Goerz?"
  "Ja, der bin ich."
  "Moment bitte, ich verbinde."
  "Padlowski!"
  "Charly???"
  "Nein, David. Sein Sohn. Vater ist letztes Jahr gestorben."
  "Oh, das tut mir leid. Wir waren uns einmal eine kurze Zeit als Gymnasiasten sehr nahe. Dann haben wir uns aber komplett aus den Augen verloren..."
  "Ja ich kenne die Geschichte gut. Vater hat uns während beinahe unserer ganzen Kindheit bei Tisch immer wieder mit dem Shylock-Monolog genervt. Heute fange ich an zu weinen, wenn ich daran denken muss. Er hat es uns als Beispiel besonderer Zivil-Courage dargestellt, dass ausgerechnet ein Deutscher Knabe, der ausgesehen habe wie ein Hitler-Junge, ihn zu dieser Aufführung überredet hatte. Ich nehme an, der Hitler-Junge waren Sie?"
  "Wieso ist Charly so früh gestorben? Die Geisel Krebs?"
  "Die Ärzte konnten uns das auch nicht so genau sagen. Tatsache war, dass er seit Mitte der 80er unter erheblichen psychischen Problemen litt. Am Ende waren es aber irgendwie alle inneren Organe. Die Ärzte nannten es das Metabolische Syndrom."
  Johannes atmete am anderen Ende der Leitung tief ein und aus.
  "Der Grund meines Anrufs, Herr Goerz, ist, dass unsere Kanzlei ein jüdisches Legat für Sie bewahrt, das an Chanukka 2007, also übermorgen quasi beim Entzünden der ersten Kerze ausgehändigt werden soll."
  "Ein Legat? Ein Vermächtnis? Eines Juden?"
  "Vater hat uns - mein Bruder Samuel und ich führen heute die Kanzlei - noch auf dem Sterbebett in die Pflicht genommen, diese Aufgabe mit besonderer Sorgfalt zu versehen. So merkwürdig sich die begleitenden Anweisungen auch ausmachen würden. Wir sollen Ihnen das Legat im Beisein eines Vertreters der Israelischen Regierung übergeben, der den Übergabepunkt festlegt. Er wollte nicht in die Kanzlei kommen, sondern möchte, dass wir uns am 5. Dezember um 11 Uhr vor der neuen Synagoge am Jakobsplatz treffen. Wäre das in Ordnung für Sie?"
  "Ja, kein Problem. Mehr wollen Sie mir dazu offenbar nicht sagen?"
  "Mehr darf ich Ihnen, meinen  Anweisungen zu Folge, nicht sagen. Ich könnte es aber auch nicht. Die Angelegenheit ist auch für mich - verzeihen Sie den Ausdruck - ein wenig kryptisch."
  Zwei Tage später hatte Johannes trotz der vielen Menschen auf dem Jakobsplatz kein Problem, die beiden Männer ausfindig zu machen. David Padlowski sah wie die Twen-Variante von Charly, und sein Begleiter wie ein typischer Schattenmann aus. Er eilte mit ausgestreckten Armen auf David zu und schämte sich seiner feuchten Augen nicht, als er beide Männer begrüßte:
  "Verzeihen Sie David, aber Sie sehen ihm so ähnlich. Ich hoffe doch sehr, er war mächtig stolz auf Sie!"
  "Charon Hanegby", stellte sich der andere Mann- im Alter von David - etwas schroff vor. Er war wohl indigniert, weil ihn Johannes nicht gleich in seine herzliche Begrüßung eingeschlossen hatte.
  "Vielleicht gehen wir ein wenig um den Komplex herum", forderte Hanegby mit einer ausladenden Armbewegung auf, als sei er der Kurator von Synagoge und Museum.
  "Ich habe das Treffen an diesem Ort gewählt, weil er für uns ein Symbol ist, wie weit wir es wieder zu einem Miteinander gebracht haben. Gleich werde ich Ihnen einiges aus einer anderen Gegenwart und einer anderen Vergangenheit erzählen, das deutlich macht, wie fragil das alles aber auch in Wirklichkeit immer sein wird."
  Hanegby machte eine Pause, in der er ganz nah an Johannes heranrückte und ihm obwohl deutlich kleiner, fest die Hand unter die linke Achsel schob. Weniger freundschaftlich, als offenbar um ihn symbolisch am Weglaufen zu hindern. Dann fuhr er fast bedrohlich flüsternd fort:
  "Ich bin der dienstliche Bruder von einem Mann, den Sie vor zwei Jahren fast enttarnt hätten. So wie ich der Bruder von drei Dutzend Männern und Frauen bin, mit denen ich aufwuchs, damit wir auf diversen Lebenslinien ähnliche Aufgaben erfüllen. Die zwei deutschen Taliban-Kämpfer aus dem Dunstkreis der Neuulmer „Akademie des Islam“ – ADI – hätten ohne meine Geschwister nicht aufgespürt werden können. Ihr Freund Peter Kühn war so eifrig dabei, heraus zu finden, wer ‚Ihr Karim' war, dass wir ihm nur durch Berufung in ein internationales Gremium und die damit verbundene Beförderung eine Art Kontaktsperre zu Ihnen verordnen konnten. Er ist ganz versessen drauf, Sie bald wieder sprechen zu dürfen. Vor allem möchte er gerne wissen, was Sie als Skin-Head verkleidet vergangenen Mai in Kaiserslautern gewollt haben. - Überhaupt wird das Interesse an Ihrer Person in gewissen Kreisen nicht wesentlich nachlassen, wenn Sie sich entschließen, von dem Legat Gebrauch zu machen."
  Johannes hatte das Gehörte in den Sinnen derart sensibilisiert, dass sich ihm im Unterbewusstsein während der ersten Umrundung von Synagoge und Museum, erstmals die architektonische Meisterleistung dieses im Vorfeld so gescholtenen Ensembles erschloss. Johannes hatte zuvor immer gedacht, der historische Jakobsplatz brauche eine harmonische Lösung. Vielleicht hatte das unterschwellig Bedrohliche von Hanegbys Eröffnung auch zu der Erkenntnis geführt, dass diese grandiose Störung der Perspektive die Aufgabe des ewigen Mahnens am besten erfülle. Er drehte sich - David quasi ausschließend - so in den Mann hinein, dass er fest in dessen Augen hinunter schauen konnte.
  "Sie könne mir keine Angst mehr machen. Charon! Ich war schon halb über den Styx und seit dem trage ich die beiden Goldstücke für Ihren Obulus immer bei mir. Bis jetzt weiß ich noch gar nichts über dieses ominöse Legat, aber ich ahne, dass wir uns schon einmal begenet sind, als Sie noch ein Knabe waren."
  "Ja, deshalb sind wir hier", brachte sich David Padlowski, dem die Spannung zwischen den beiden Männer sichtliches Unbehagen bereitete, wieder ins Spiel.
  "Erinnern Sie sich an Moss Mausele?", herrschte ihn Hangeby an.
  "So eine Frage! Der Mann hat mir das Leben gerettet. Er war nicht nur unser Hausarzt, sondern in meiner Jugend der vielleicht einzige wahre Freund, den ich hatte. Als moralische und pädagogische Instanz wirkt er aber auch bis heute auf mich ein. Er hat mich in dieser schweren Zeit vermutlich mehr geprägt als mein eigener Vater. Ohne ihn hätte ich mich mit dem erwachsen Werden noch schwerer getan. Meinen beiden einzigen großen Lieben hatte er sogar noch die Pille verschrieben, ehe er nach Israel in den Ruhestand ging... Ich  e r i n n e r e mich nicht bloß an ihn - er ist Teil meines Denkens."
  "Es ist sehr, sehr erfreulich, das zu hören. Versuchen Sie das eben Gesagte noch einen Moment festzuhalten. Moses Mausele war von Geburt ein deutscher Jude, aus politischen Gründen ein amerikanischer Arzt und aus Überzeugung einer der wichtigsten Nachrichtendienstler, den Israel in Deutschland während des kalten Krieges hatte. Seine Positionierung als Hausarzt in der Nachbarschaft eines derart nachrichtenträchtigen Gemeinwesens und noch dazu im Zentrum des Bogenhausener Geldadels, war so perfekt, dass selbst die Amerikaner erst nach seinem Tod durch dieses ominöse Legat von der wahren Bedeutung Mauseles erfuhren. Da der kinderlose Dr. Mausele auch noch in Israel seine amerikanische Staatsbürgerschaft nicht aufgegeben hatte, hätte dessen Nachlass im Prinzip den Vereinigten Staaten zugestanden. Auch Israel gedachte in Anbetracht seiner unschätzbaren Tätigkeit das Erbe von Dr. Mausele anzutreten. Beide Seiten waren daher sehr überrascht, von der Kanzlei Ihres ehemaligen Schulkameraden Padlowski informiert zu werden, dass das Legat erst nach genau dreißig Jahren und nach Deutschem Recht ausgerechnet einem Deutschen zugänglich gemacht werden sollte. Maßnahmen bei plötzlichem natürlichem oder gar gewaltsamem Tod des Empfängers seien ergriffen worden, hieß es in der Benachrichtigung. Bis heute rätseln die besten Dienste der Welt also, wieso Dr. Mausele ausgerechnet Sie bedacht hatte. Es wäre schön, wenn Sie uns - ich spreche hier auch für unsere amerikanischen Freunde - Klarheit verschaffen könnten, nachdem Sie gelesen haben, was er Ihnen geschrieben hat. Ich darf Ihnen versichern, dass es hier nicht um Geld geht, das Ihnen möglicher Weise auch hinterlassen wurde, sondern um die persönlichen Aufzeichnungen, Tagebücher, Mikrofilme und dergleichen, die in seiner Hinterlassenschaft nicht aufzufinden waren. - Bitte David!..."
  "…Was, hier? Mitten auf dem Platz, wo alle zusehen können? Lassen Sie uns doch wenigstens in den Coffee-Shop in der Schrannenhalle gehen, da ist es jetzt noch leer und man ist nicht derart auf dem Präsentierteller."

  Die Schrannenhalle war an jenem Vormittag wirklich nicht sonderlich frequentiert. Sie fanden  mühelos ein ruhiges Plätzchen, und nach dem jeder eine kleine Bestellung aufgegeben und das Bestellte erhalten hatte, holte David Padlowski vorbereitete Schreiben und einen wattierten Umschlag heraus:
  "Johannes, Walter Goerz, geboren am  5. April 1947 ich bin mit Urkunde vom 22. November.1977 als Vertreter der Anwaltskanzlei Padlowski beauftragt, ihnen das Legat des amerikanischen Staatsbürgers Moses, Jehuda Mausele, geboren am 12. Februar 1906 in München, verstorben am 5. Dezember 1977 in Jaffa, auszuhändigen. - Bitte weisen Sie sich aus.
  Nachdem Sie sich mir gegenüber im Beisein des Israelischen Regierungsbeauftragten Charon Hanegby, der sich ebenfalls durch Vorlage seines Dienstausweises legitimiert hat, ausgewiesen haben, übergebe ich Ihnen das Legat in einem zweifach versiegelten Umschlag. Bitte quittieren Sie hier, nachdem Sie sich von der Unversehrtheit beider Siegel überzeugt haben."
  Johannes spürte wieder einmal eine Panik in sich aufsteigen. Der Umschlag mit handschriftlichen Daten und deutlich unversehrten Siegelbändern sah gar nicht nach dreißig Jahren aus, aber er hatte die Zeit vermutlich sorgsam verwahrt in einem Banksafe verbracht.
  Er erbrach die Siegel und förderte einen ebenfalls versiegelten Brief und ein winziges, edel aussehendes Etui zu Tage. Das Etui ließ er aus einem Impuls heraus, sofort in seiner Westentasche verschwinden.
  "Würden die Herren mich vielleicht für einen Moment alleine lassen, damit ich den hier lesen kann?" Johannes wäre gar nicht auf die Idee gekommen, den Brief erst zu Hause zu lesen - so geschickt und suggestiv hatte ihn Hanegby bereits konditioniert.
  Die beiden marschierten zur Bar, wo Padlowski offenbar schon mal zahlte, denn er hatte den Bon dabei.
  Johannes öffnete den Umschlag, in dem sich nur ein handschriftliches  Blatt fand und begann zu lesen:

Lieber Johannes!

Du bist noch am Leben und ich bin seit dreißig Jahren tot. Das wird Dir alles schon wundersam genug vorkommen. Deshalb war mir bei meinen Überlegungen vor allem eines wichtig: Du musst begreifen, wie bedeutend unsere Gespräche auch für mich waren. Wenn ich einen Sohn gehabt hätte, wäre ich dankbar gewesen, er wäre so leidenschaftlich und leidensfähig gewesen wie Du - und so voller Talente...
Es war für mich sehr befriedigend, über die Kanäle, die mir auch in Israel noch zur Verfügung standen, Deine ersten Erfolge als Autor mit zu erleben. Die Schilderung Deiner Gefühle zum Attentat in dem Olympia-Buch von 1972 - das war ergreifend.
Nun ist der Terror bitterer Alltag, und ich schäme mich nicht, dass ich zu seiner Bekämpfung Dinge ersonnen habe, die eines Arztes, der ja Leben bewaren und schützen sollte, vielleicht unwürdig sind. Ich habe in einem Containerdorf auf den Westbanks – also am westlichen Hochufer des Jordantales und nicht weit vom Negev ein Waisenhaus für Kinder verschiedenster Nationen und Rassen gegründet, die durch Kriege oder Terror alle Eltern und Verwandte verloren hatten. Wenn meine moralisch sicher fragwürdige Idee verwirklicht wurde, dann sind sie in dem Moment, da Du dies liest, zu den wohl wirkungsvollsten Waffen im Kampf gegen den Terrorismus heran gereift…
Mehr wirst Du erfahren, wenn Du das Schließfach zu dem Du den Schlüssel im beiliegenden Etui findest, durchgesehen hast. Ich empfehle, den Inhalt zu Deiner eigenen Sicherheit, nie aus dem Tresorraum mitzunehmen. Dein Identifizierungscode entspricht dem Rhesusfaktor Deiner sehr seltenen Blutgruppe in Kombination zu der Jahreszahl, in dem Du Deinem Ungeheuer erstmals begegnet bist.
Ich habe - damit Du frei von wirtschaftlicher Not - wie ein historischer Forscher ohne den Zwang "publish or perish" arbeiten kannst, 300 000 Schweizer Franken festverzinslich für Dich angelegt. Das Kredit-Institut findest Du in Zürich am Limmat-Kai unter der Nummer, die der Zahl der Yards entspricht, die ich bei meiner allerersten Prüfung in Harvard zu bewältigen hatte. Dreißig Jahre – wenn die Welt überhaupt noch halbwegs so ist, wie ich sie verlassen habe -  sind eine lange Zeit mit Personalwechsel, Umzügen und neuen technologische Errungenschaften. Was nach dem zweiten Weltkrieg teilweise mit jüdischem Vermögen in Schweizer Bankhäusern passierte, ist ja nicht nur Spekulation. Ich hoffe, es klappt alles.
Ansonsten: "Use your skills!" Weißt Du noch,  wie ich Dir diesen Spruch übersetzen sollte? Ich hoffe sehr, Du hast ihn immer befolgt.

Dein Arzt und Freund
Moses Mausele

Als er zu den beiden Männern an der Kaffee-Bar schaute, liefen ihm die Tränen herunter.
  "Ich muss hier raus. Ich bekomme keine Luft mehr."
  Die beiden flankierten ihn zum Ausgang. Draußen machte er sich schwer atmend los. Dann fiel sein Blick auf die Schlange, die sich auf der anderen Straßenseite vor dem Brotreste-Laden der Hofpfisterei gebildet hatte.

  "Ich muss aus dieser Geschichte raus!" rief er. Dann lief er - ohne rechts und links zu gucken - über die Straße. Um ein Haar wäre er auch noch überfahren worden. Hanegby und Padlowski schauten sich ratlos an, als er begann, auf einen Mann gleicher Statur nur ärmlicher aussehend, wild gestikulierend einzureden. Doch schon nach wenigen Augenblicken war von ihrem Standort aus in der unordentlichen Menschenschlange nicht mehr zu erkennen, welcher der eine oder der andere  war.



                                            E N D E